Ueli Zürcher mit Kunstwerken der Technik

Ueli Zürcher fand in der Uhrmacherei seine Berufung. Er repariert und restauriert im Geschäft seines Vaters in Wasen, welches er 1985 übernahm, antike Pendulen sowie Wand- und Standuhren aller Art für Kunden aus der ganzen Schweiz. Dabei hat es ihm die Sumiswalder Pendule besonders angetan.

Wasen im Emmental

Ueli Zürcher war schon als kleiner Junge von Uhren fasziniert, fällt der Apfel doch nicht weit vom Stamm. Seinem Vater blickte er bei der Arbeit im Uhrenfachgeschäft fasziniert über die Schulter. Ueli Zürcher führte ab der 7. Klasse in der Werkstatt kleinere und simple Arbeiten aus, lernte dadurch die Kunstwerke der Technik durch seinen Meister höchstpersönlich kennen. «Mein Vater sagte mir nie, dass ich Uhrmacher werden muss», erzählt Zürcher. Er sei in die Materie hineingewachsen und näherte sich so auf seinem ganz eigenem Weg dem Beruf des Uhrmachers.

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Kein Tag wie der andere

An jedem Tag hat Ueli Zürcher wieder zu tun: In seinem Schrank warten noch einige Reparaturen auf ihn. Er hat sich auf Reparaturen von antiken Pendeluhren und alten Gross-Uhren aller Art wie den Neuenburger und Sumiswalder Pendulen, Wanduhren, Regulatoren, Gewichtuhren, Schwarzwälderuhren, Kaminuhren, Standuhren et cetera spezialisiert. «Die Kunden kommen aus der ganzen Schweiz zu mir», sagt Zürcher. Hie und da wechselt er auch einmal eine Batterie von Kleinuhren.
Darin spiegle sich auch die traurige Tatsache wider, dass es immer weniger Uhrmacher gebe. «In Burgdorf allein gab es einst vier Fachgeschäfte, heute gibt es keines mehr», bedauert er. So besuchen den Spezialisten auch Leute aus der näheren Umgebung von Bern, Zürich, Basel oder etwa dem Kanton Aargau. Vor Ueli Zürcher liegt ein Uhrwerk eines Regulators auf dem Tisch bereit, welches repariert werden muss.
Die Gründe für eine Reparatur sind so unterschiedlich wie die Uhren selber – doch manchmal liege es nur am Öl, das eingetrocknet sei und deshalb verhindere, dass sich eine Welle oder ein Zahnrad drehen könne. «Die Qualität von heutigem gegenüber des früheren Öls ist nicht mehr dieselbe», bemerkt der erfahrene Spezialist. «Auch die Uhren liefen früher zehn Jahre plus, einzelne sogar 15 bis 20 Jahre, heute kann man froh sein, wenn eine Uhr gegen zehn Jahre läuft», betont er.
Die Werkzeuge liegen schon parat und Ueli Zürcher ist bereit für die Untersuchung. Doch bevor er mit der Reparatur beginnen kann, muss er «das erste Gebot» ausführen und entspannt, bevor er das Uhrwerk auseinander nimmt, die Feder. Würde er das nicht machen, «könnte es gefährlich werden – und Teile des Uhrwerks im schlimmsten Fall sogar bis ins Auge fliegen.» Mit der Lupenbrille vor dem rechten Auge blickt der Uhrmacher, nachdem er die Feder entspannt hat, das Uhrwerk ganz genau an und demontiert die Einzelteile, wodurch auch der angesammelte Schmutz sichtbar wird. Ähnlich wie beim Zahnarzt arbeitet der Uhrmacher mit ganz verschiedenen Werkzeugen, so hantiert er mal mit Pinzette, dann wieder mit Zängelchen oder auch mit einem Mundspiegel, der ihm während einer Reparatur auch verborgene Stellen sichtbar macht. «Diese verklebten Einzelteile werde ich nun alle mit Benzin vorreinigen», erklärt der Lehrmeister. Eine ziemliche Geduldsprobe, wenn man bedenkt, aus wie vielen kleinen Teilen das Uhrwerk besteht. Doch dies ist Teil seiner täglichen Arbeit.

Die Sumiswalder Pendule

Im Uhrengeschäft von Ueli Zürcher gibt es viele Schmuckstücke zu sehen, und vor allem zu hören. Ausser den Pendelgeräuschen und den Glockenschlägen ist es in der Werkstatt still. Zu voller Stunde schlagen sie dann – mal lauter, mal leise, aber alle mit ihrer ganz eigenen Stimme. «Das hier ist eine Schwarzwälderuhr Mitte des 19. Jahrhunderts», sagt Zürcher und öffnet auf der Seite eine Klappe: «Diese Uhr wurde noch mit einer Platine aus Holz angefertigt. Es war früher im Schwarzwald üblich, mit dem vorhandenen Rohstoff zu arbeiten.» Heute sind es Messingplatten, die verwendet werden.
Einen Qualitätsunterschied merkt Ueli Zürcher dabei nicht. Links daneben steht eine französische Pracht, und weiter vorne eine Entlebuecher. Das Herz des 66-jährigen Uhrmachers schlägt aber vor allem bei einer Uhr höher: Der Sumiswalder Pendule. Er und sein Vater haben sie damals noch selbst hergestellt. Eine davon hängt sogar noch in seinem Haus. Fasziniert ist Zürcher auch von der Grande Sonnerie (grosses Läutwerk), einem Schlagwerk, welches die Stunden und Viertelstunden auf verschiedene Tonfedern schlägt und nachts zu den Viertelstunden noch die letzte Stunde repetiert.

Handgefertigt mit Liebe zum Detail

«Als mein Vater 1950 das Geschäft eröffnete, hatte er den Wunsch, eine Sumiswalder Pendule wie ursprünglich mit einem Dreiviertel- und Stundenschlagwerk auf Tonfedern zu bauen», erinnert sich Zürcher. Er und sein Vater haben 98 solche rein handwerklichen Uhren hergestellt. Rein handwerklich heisst, es handelt sich um Einzelanfertigung. Jedes Teil am Uhrwerk, der Pendel sowie der Zeiger wurden selbst angefertigt.
Einzig das Gehäuse wurde früher von einem Schreiner in Wasen gefertigt und auch die Bemalung wurde auswärts gemacht. Die Erinnerung an diese Zeit macht den Uhrmacher stolz, baute er doch einst selbst noch Uhren. Doch ein Blick in einen Schubladenschrank mit einzelnen Teilen der Sumiswalder Pendule verrät, dass diese Zeit lange zurück liegt und die Nachfrage nach dieser Antiquität still steht. Bei den paar Uhren in der Glasvitrine steht die Zeit zwar nicht still, aber sie geht etwas vor oder nach. Diese Uhren sind bei Ueli Zürcher, damit sie wieder richtig eingestellt werden. «Diese Sumiswalder Pendule hat im Kästchen eine Musikwalze eingebaut, sie spielt jeweils zwei Minuten vor dem Stundenschlag eine Melodie. Insgesamt verfügt sie über sechs», so Zürcher, «früher spielten sie sogar zu jeder Stunde.»

In zweiter Generation geführt

Ueli Zürchers Vater wuchs auf einem Bauernhof auf, lernte Turmuhrmacher und arbeitete bei verschiedenen Manufakturen, danach absolvierte er Zusatzausbildungen für Kleinuhren. 1950 eröffnete Hans Zürcher in Wasen ein Uhrenfachgeschäft. Ueli Zürchers Begeisterung hielt sich in Grenzen, als sein Vater 1976 das alte Sekundarschulhaus kaufte und in den ehemaligen Klassenräumen, wo Ueli Zürcher zur Schule ging, das Geschäft weiterführte.
So gerne ging er dort nicht zur Schule! Nachdem Ueli Zürcher die Uhrmacherschule in Solothurn besucht hatte, gelangte er nach Nyon, wo er viele Grossuhren reparierte. Bevor er 1985 das Geschäft seines Vaters übernahm, war er noch für zweieinhalb Jahre in Langenthal tätig. «Bis zum 71. Lebensjahr meines Vaters haben wir noch zusammengearbeitet», erinnert sich Zürcher, der das Uhrengeschäft seither in zweiter Generation führt. «Der Beruf Uhrmacher erfordert definitiv Geduld», bestätigt Zürcher. So kann eine einzige Reparatur bis zu mehreren Tagen dauern. Gut, dass Ueli Zürcher geduldig ist und ihm die Freude dabei auch nicht vergeht. «Solange mir die Arbeit gefällt und ich gesund bleibe, denke ich nicht ans Aufhören», gibt der Pensionierte zu verstehen. An eine Nachfolge denke er zurzeit nicht, er wünsche sich aber für sein Geschäft und seine Uhren ein weiteres Bestehen, «obwohl es immer schwieriger wird, nur von den Reparaturen und Restaurationen zu leben.» Das war ja schon früher so.

Von Chantal Bigler – Der Unter-Emmentaler
Quelle: unter-emmentaler.ch/news-details/die-leidenschaft-eines-uhrmachers-ueli-zuercher-mit-kunstwerken-der-technik.html

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